Im letzten Jahr, im April 2022, führten mich meine Wege für gut zwei Wochen in den Golden State an der amerikanischen Westküste - nach Kalifornien. Mit 40 Millionen Einwohnern ist es der bevölkerungsreichste US-Staat, flächenmäßig immerhin noch der drittgrößte. Seine Ausdehnung von 1.200 x 400 km birgt sehr unterschiedliche Naturräume, von den 4.000ern der Sierra Nevada zu den Wüsten des Südens, den Redwood-Wäldern im Norden und einer langen Küstenlinie am Pazifik. Dazwischen liegt das Central Valley, nach wie vor der Obst- und Gemüsegarten der USA.Erster Besuchspunkt war San Francisco. Die Stadt ist Mttelpunkt der Bay Area, das zweitgrößten Ballungsraums Kaliforniens mit rund 7 Millionen Einwohnern. In der Stadt selbst leben allerdings nur etwa 10% davon, da sie aber flächenmäßig nicht besonders groß ist, ist die Besiedlung ziemlich dicht. Gleichzeitig ist das Gelände sehr hügelig, was aber die Stadtplaner nicht davon abgehalten hat, die Straßen im landestypischen Blockraster anzulegen. Daraus resultieren teils extreme Steigungen. Beides führt dazu, dass der ÖPNV in San Francisco (wie auch im Rest der Bay Area) für amerikanische Verhältnisse gut ausgebaut ist und rege genutzt wird. Neben der regionalen BART-Metro wird das Netz innerhalb der Stadtgrenzen fast ausschließlich von der San Francisco Municipal Railway - kurz MUNI - betrieben. MUNI wurde 1912 gergündet, nachdem das verheerdende Erdbeben von 1906 die Stadt weitgehend zerstört hatte. 1944 übernahm man die Market Street Railway, die bis dahin alle privaten Straßenbahnbetreiber aufgekauft hatte.
Das ÖPNV-Netz zeichnet sich durch eine große Vielfalt an Verkehrsmitteln aus, MUNI betreibt ein Stadtbahnsystem, eine Nostalgie-Straßenbahn, ein großes Obusnetz und etliche konventionelle Buslinien. Und natürlich das Wahrzeichen der Stadt schlechthin, die Cable Cars. Auch wenn diese heute hauptsächlich für Touristen auf nur noch drei Linien unterwegs sind, ist eine Mitfahrt insbesondere auf den Trittbrettern ein einmaliges Erlebnis.
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Die Powell-Mason und Powell-Hyde-Linien werden mit Einrichtungswagen bedient, die über Drehscheiben per Muskelkraft gewendet werden. Wagen 10 vom Baujahr 1893 (!) erklimmt auf der Powell Street gerade die nächste der vielen Steigungen.
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Die meisten Wagen dieser beiden Linien tragen historische Lackierungen, wie auch Wagen 11, der in den Farben der Market Street Railway unterwegs ist. Auch Wagen 11 ist ein Originalfahrzeug von 1893.
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Am Endpunkt der Powell-Hyde-Linie am Fishermans Wharf steht Wagen 15, ein Neubau aus dem Jahr 2009. Ursprünglich trug jede Linie eine eigene Lackierung, die Farbe der Powell-Hyde-Linie war gelb. |
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Auch nachts lassen sich die Cablecars schön ablichten, Wagen 26 vom Baujahr 1890 an der Endstelle Powell & Market. Er trägt die MUNI-Lackierung der Nachkreigszeit.
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Die California Street Linie (Cal Cable) nutzt dagegen Zweirichtungswagen, die alle eine braun/blaue Lakierung tragen, so wie hier der 1996 gebaute Wagen 52.
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Nicht minder interessant ist die Nostalgiestraßenbahn-Linie F (die Straßenbahnlinien werden traditionell mit Buchstaben bezeichnet). Sie war ursprünglich 1983 als Ersatzattraktion während einer Grundsanierung der Cablecars eingeführt worden, erfreute sich aber einer so großen Beliebtheit, dass MUNI sie dauerhaft beibehielt. Zum Einsatz kommen hauptsächlich Standardfahrzeuge des PCC-Typs aus den 30er und 40er Jahren, die in den Lackierungen verschiedener amerikanischer Städte unterwegs sind (alle Fahrzeuge unter www.streetcar.org). Für spezielle Anlässe stehen auch Fahrzeuge u.a aus Hamburg, Mailand, Melbourne oder Blackpool zur Verfügung. Die Strecke führt entlang der zentralen Verkehrsachse der Stadt, der - inzwischen teilweise autofreien - Market Street. Hier lagen ursprünglich sogar vier Gleise, zwei davon wurden Anfang der 80er Jahre jedoch in einen Tunnel verlegt. Im Jahr 2000 verlängerte man die Linie F bis zum Touri-Hotspot Fishermans Wharf.
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PCC 1080 präsentiert sich in den Farben der Los Angeles Transit Lines aus der Nachkriegszeit auf der zentralen Market Street. Er gehört dem breiteren PCC-Typ an und wurde 1946 an die Twin Cities Rapid Transit Co. in Minnesota abgeliefert.
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Cheese! Die Lackierung der PCC der Philadelphia Rapid Transit Company wurde beeinflusst von der Verpackung des Frischkäses, der den Namen der Stadt trägt. Wagen 1060 stammt auch von dort, er wurde 1947 an die PTC mit der Nummer 2715 abgeliefert.
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Wagen 1058 kommt zwar auch aus Phladelphia, trägt aber die Farben der Chicago Transit Authority. Abgelichtet an der Kreuzung Church & Market.
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Eine sehr auffällige Lackierung trugen die Bahnen der Cincinnati Street Railway Co., in deren Farben Wagen 1057 durch San Francisco fährt. Er wartet hier an der Endstelle Castro.
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Zum Schluss noch ein Original-MUNI-Fahrzeug. 1008 ist kein PCC, auch wenn er fast so aussieht. MUNI wollte nämlich Zweirichtungswagen haben und ließ sich solche unter Verwendung von PCC-Teilen bauen. Die 1948 abgelieferten Fahrzeuge erhielten den Spitznamen Torpedo. Aufgenommen in der Blockschleife am Fishermans Wharf.
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