Samstag, 6. August 2022

Guernsey - Insel mit Vibe

Die zweitgrößte der Kanalinseln ist Guernsey. Etwas nordwestlich von Jersey gelegen ist sie wie dieses ein eigenes Balliwick (Vogtei) und hat rund 65.000 Einwohner. Anders als sein größerer Nachbar umfasst das Balliwick of Guernsey auch die kleinen Nachbarinseln Herm, Sark und das etwas abgelegene Alderney, das übrigens die einzige noch bestehende Bahnline der Kanalinseln aufweist. Sark und Alderney sind verfassungsrechtlich selbständig mit eigenen States und eigenem Rechtssystem. Sark gilt als letzter Feudalstaat in Europa. 

Anders als das recht urbane St Helier ist Guernseys Hauptstadt St Peter Port eher gemütlich, kleine Häuser und enge Gassen ziehen sich den Hang zum zentralen Plateau der fast dreieckigen Insel hinauf. Auch Guernsey lebt von Finanzdienstleistungen und Tourismus, hat aber auch recht viel Landwirtschaft. Vor allem an der Westküste gibt es lange Strände, während die Ost- und Südküste eher steil sind. Wie auf Jersey finden sich an den Küsten viele Befestigungsalagen, die Angriffe aus Frankreich abwehren sollten. Der französische Einfluss ist auf Guernsey etwas weniger spürbar, aber auch hier wurde bis weit ins 20. Jahrhundert das franko-normannische Guernisais gesprochen. 

Von 1879 bis 1934 gab es auf Guernsey eine Straßenbahnlinie von St Peter Port in das nördlich gelegene St Sampsons. Der Busverkehr wurde anschließend von zwei Unternehmen durchgeführt, Guernseybus und Island Coachways. Ersteres gab seine Verkehre nach Rückzug des Eigentümers im Jahr 2000 auf, während die States Island Coachways mit der Beschaffung von insgesamt 33 Dennis Dart mit East Lancs-Aufbau unter die Arme griffen. 2011 zog sich auch Island Coachways aus dem ÖPNV zurück nachdem mit den States auch hier keine Einigung über neue Vertragsbedingungen erreicht werden konnte. Die anschließende Notvergabe konnte sich wie auf Jersey die HCT Group sichern, die 2015 dann einen längeren Vertrag bekam. Als Markenname wählte man Buses.gg - gg ist der ISO-Code für Guernsey. Heute werden 20 Linien betrieben, meist im Stunden- oder Halbstundentakt, die alle ihren Ausgangspunkt an der Esplanade von St Peter Port haben.

Da die Straßen auf Guernsey eher noch schmaler sind als auf Jersey beschaffte HCT ab 2017 in zwei Serien insgesamt 34 Wright StreetVibes, eine abgespeckte Version des StreetLite WF mit einer Breite von nur 2,28 m.

Die StreetVibes domnieren das Geschehen bei Buses.gg. 1976 aus der zweiten Serie hat seine Inselrundfahrt auf der Linie 91 beendet und wendet auf der Esplanade in St Peter Port.

Ebenfalls den Endpunkt erreicht, der an den Bussen nur als Town Terminus angeschrieben wird, hat 1971. Die Linien sind in Zehnergruppen sortiert, wobei es sich wie bei der 41/42 meist um gegenläufige Ringe handelt.

An der weitläufigen Vazon Bay auf der Westseite der Insel passiert 1958 auf der Ringlinie 92 einen Plaxton Cheetah von Island Coachways - die Zielanzeige scheint ausgefallen.

Wieder in St Peter Port ist StreetVibe 1971 auf der Hafenpromenade unterwegs. Die Linien 11, 12 und 13 bedienen den Korridor der ehemaligen Straßenbahn.

Neben den StreetVibes sind noch drei Dennis Dart mit Caetano-Aufbau im Einsatz, die Island Coachways 2009 von National Car Parks übernommen hatte. Sie tragen noch die damals verwendete grün/gelbe Lackierung. 1120 verlässt hier die Esplanade in St Peter Port.

2021 wurden vier gebrauchte, aber fast neue MB Sprinter City45 beschafft, die bislang noch nicht die Celebrate Guernsey-Lackierung der Streetvibes erhalten haben. Sie kommen auf weniger ausgelasteten Kursen zum Einsatz und haben einige Darts ersetzt. 5561 vor dem Castle Cornet in St Peter Port.

Island Coachways ist heute nur noch im Gelegenheitsverkehr unterwegs und setzt hier vor allem MB 814D mit Plaxton Cheetah-Aufbau ein.

Freitag, 5. August 2022

Coaching - Jersey style

Normalerweise beschäftigen wir uns hier ja mit Bussen im Linienverkehr, aber ein Blick auf den Gelegenheitsverkehr in Jersey lohnt durchaus auch. Da die Entfernungen überschaubar sind, braucht es keine Reisebusse im üblichen Sinne. Viel wichtiger ist die Wendigkeit auf den schmalen Straßen. Und so kommen hier teils ehemalige Linien-Midibusse, teils speziell konstuierte Fahrzeuge zum Einsatz. Größter Anbieter ist Tantivy Blue Coach Tours, hinter dem sich nichts anderes als die ehemalige JMT verbirgt. Und so wundert es nicht, dass hier u.a. Fahrzeuge zum Einsatz kommen, die vorher für JMT im Linienverkehr unterwegs waren. Weitere Betrriebe sind Waverley Travel und Jersey Bus & Coach.

Das kleine Mittelmotor-Chassis des Leyland Swift war in den 80er Jahren die bevorzugte Wahl bei Tantivy/JMT. Wagen 9 vom Baujahr 1991 steht hier in Corbiére.

Wagen 8 ist sogar noch drei Jahre älter. Die Wadham Stringer Vanguard II-Aufbauten bieten immerhin zwischen 41 und 43 Sitzplätzen - wenn auch ziemlich enge.

Nach Einstellung der Produktion bei Leyland und Wadham Stringer entwickelte der nordirische Hersteller Cannon auf Basis des DAF-LKW-Chassis FA45 sein Hi-Line-Fahrgestell als Nachfolgeprodukt. Abnehmer fanden sich fast ausschließlich auf den Kanalinseln, die Aufbauten steuerte Leicester Carriage Builders (LCB) bei. Wagen 61 vom Baujahr 1998 hier in St Brelade.

Einige Hi-Lines wurden in weiß geliefert, so wie Wagen 2, der hier zu seinem Standort am Elizabeth Terminal im Hafen von St Helier zurückkehrt.

Die letzten Busse, die JMT für den Linienverkehr beschaffte, waren acht Dennis Dart/Plaxton Pointers von 1994, die 2000 gebraucht von Isle of Man Transport kamen. Drei davon blieben nach Einstellung des Linienverkehrs bei Tantivy. 201 (ex IOMT 72) steht am Hafen in St Helier.

Jersey Bus & Coach Tours setzt auf Inselrundfahrten u.a. diesen Bristol LH/ECW ein. Der 1977 gebaute Bus stammt von London Transport, wo er die Nummer BL91 getragen hat. Leider waren die Fahrten schon ausgebucht, aber ich konnte ihn immerhin in St Aubin ablichten.

Wer lieber etwas moderner unterwegs ist, kann die große Inselrundfahrt mit Cannon Hi-Linie Nummer 2 buchen, der auch entsprechend beschriftet ist.

Donnerstag, 4. August 2022

Schmale Straßen? Kleine Busse!

Das Straßennetz auf Jersey ist zwar umfangreich, die Straßen sind aber alle sehr schmal. Es gilt daher ein inselweites Tempolimit von 40 mph (64 km/h), was etliche Bewohner aber nicht davon abhält, mit teuren Supersportwagen herumzufahren - die Ferrari-Dichte dürfte eine der höchsten der Welt sein. Für den Buseinsatz heißt das aber, dass neben den Doppeldeckern ausschließlich kleinere Fahrzeuge zum Einsatz kommen. CT Plus beschaffte zur Betriebsaufnahme nicht weniger als 33 Optare Solo mit 33 Sitzplätzen, 2017 kamen noch zwei kürzere, schmälere SlimLines hinzu. Connex fuhr vor allem mit Dennis Dart/Caetano Nimbus, von denen die meisten noch vorhanden sind, etliche allerdings nur für den Schülerverkehr. 

Die übliche Breite weist die Straße zum Aussichtspunkt Devil´s Hole an der Nordküste auf, zu dem man mit der Linie 7 kommt. Solo 1714 hat gerade den Pub Priory Inn oberhalb der Küste erreicht, wo gewendet wird.

Im Dörfchen Gorey unterhalb des Mont Orgeuil Castle (siehe Titelbild von gestern) steht Solo 1720. Gorey ist mit vier Linien an St Helier angebunden.

Einer der beiden 2017er Optare Solo Slimlines ist 1735, er ist in der Innenstadt von St Helier unterwegs.

2013 übernahm Libertybus von Connex deren Dennis Darts mit Caetano Nimbus-Aufbau. Etliche der 2007 gebauten 41-Sitzer kommen noch zum Einsatz, während die Flotte der kurzen 29-Sitzer aus 2002 nur noch Schulbusse fährt. Dart 1159 ist hier in St Brelade unterwegs.

Solos und Darts werden gemischt eingesetzt, so war der Bus, der mich zum Devils Hole brachte Dart 1162, hier am Priory Inn.

Im Mai 2022 ergänzte Libertybus das Netz um die neue Linie 20, die unter dem Namen TownLink die Innenstadt von St Helier erschließt. Zum Einsatz kommen Mercedes Sprinter City45 wie 5310, der hier gerade die Liberation Station erreicht.
 
Die Infrastruktur ist ziemlich einfach, die allermeisten Bushaltestellen bestehen nur aus einer solchen Markierung auf der Straße. Alle sind aber nummeriert, um die Abfahrtszeiten online abrufen zu können.

Mittwoch, 3. August 2022

Jersey - britisch, auf französische Art

Nur 25 Kilometer vor der französischen Küste liegt Jersey. Historisch Teil der Normandie, blieb sie mit den benachbarten Inseln nach Eroberung dieser durch Frankreich 1204 im Besitz der englischen Krone - und das bis heute. Die Kanalinseln sind kein Teil des Vereinigten Königreiches, sondern als Crown Dependencies weitgehend autonome Staaten, die sogar ihre eigenen Banknonten (wenn auch wertgleich mit dem Pfund Sterling) herausgeben. Über Jahrhunderte war das Leben weitgehend am nahen Frankreich orientiert, man sprach bis Mitte des 20. Jahrhunderts vorwiegend einen normannisch-französischen Dialekt, das Jèrriais. Erst nach der Deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg, als die Inseln Teil von Hitlers Atlantikwall waren und die immer noch sicht- und spürbare Folgen hinterlassen hat, wurde britischer Einfluss dominant. Noch heute sind die meisten Straßenschilder und Ortsbezeichnungen französisch, gesprochen wird aber Englisch.

Jersey ist nur rund 15 x 9 km groß, hat aber immerhin etwas über 100.000 Einwohner. Wichtigste Wirtschaftsfaktoren sind das Offshore-Finanzwesen und der Tourismus, weshalb die Insel eine der wohlhabendsten Regionen Europas ist. Jersey ist in 12 Parrishes aufgeteilt, die den alten Kirchgemeinden entsprechen. Rund ein Drittel der Bevölkerung lebt in der Hauptstadt Saint Helier.   

Eisenbahnen gab es auf Jersey von 1870 bis 1936 und dann nochmals unter deutscher Besatzung, die ersten Busse verschlug es aber auch schon 1909 auf die Insel. Als dominantes Unternehmen entwickelte sich die 1923 gegründete Jersey Motor Transport Company (JMT), daneben gab es aber auch mehrere kleinere Betriebe. Um die Jahrtausendwende konnte JMT das bislang kommerziell betriebene Busnetz nicht mehr aufrecht erhalten. Da eine Einigung auf ein Zuschussmodell mit den States (der Regierung) nicht gelang, schrieben diese das Netz aus und Connex (heute Transdev) übernahm 2002 für zunächst zehn Jahre den Betrieb. 

Da ein Bruttovertrag vergeben worden war, hatte Connex keinen Anreiz, für mehr Fahrgäste zu sorgen, und so wurde der Busverkehr ein teures Zuschussgeschäft für die States. Für die Folgeausschreibung setzte man daher ein mehrstufiges Verfahren um, in dem die Bieter vor allem eigene Ideen einbringen sollten und es nicht nur um den billigsten Preis ging. Gewinner war das gemeinnützige Londoner Verkehrsunternehmen HCT Group, das auch in London und anderen britischen Ballungsräumen aktiv ist, mit einem stärker marktorientierten Konzept. Und das überzeugte: Innerhalb von drei Jahren stiegen die Fahrgastzahlen um ein Drittel und der Zuschuss sank um 800.000£. Eine sehr gute Fallstudie findet sich auf der HCT-Seite.

Das Netz wird von der HCT-Tochter CTPlus Jersey unter dem Namen Libertybus vermarktet. Rund 80 Busse verkehren auf 19 Linien. Zentraler Netzknoten ist die Liberation Station in der Innenstadt von Saint-Helier. Die wichtigsten Linien 1 und 15 verkehren alle 15 Minuten, die anderen meist stündlich.  

Update: Offensichtlich war das gemeinnützige Konzept von HCT doch kein Erfolgsmodell. Im September 2022 verkaufte oder schloss die Gruppe alle ihre Busbetriebe und meldete Insolvenz an. Die Verkehre in Jersey und Guernsey übernahm die australische Kelsian-Gruppe mit ihrer britischen Tochter Tower Transit.

Doppeldecker kommen auf den Linien 14, 15 und 22 zum Einsatz. Die sechs ADL Enviro 400, die CT Plus kurz nach Betriebsübernahme 2013 beschaffte, sind meistens auf der Linie 15 zum Flughafen zu sehen. 2606 verlässt hier die Liberation Station in St Helier.

Einige Doppeldecker sind mit Ganzwerbung versehen, die schönste ist sicherlich auf 2604 für den Jersey Zoo. Aufgenommen vor der Parrish Hall in St Aubin.

2015 kamen von der Schwestergesellschaft CT Plus London fünf Scania OmniCity N230UD. 2908 hat gerade an der St Brelade´s Church gewendet und wartet vor üppiger Inselvegetation auf seine Rückfahrt in die Hauptstadt.

Nochmal 2908 auf der Saisonlinie 14, die an den (zumindest bei Ebbe) weiten Stränden von St Aubin´s Bay und St Brelade´s Bay vorbeiführt. Für diese Linie ist auch ein offener Dennis Trident/ALX 400 ex Lothian Buses vorhanden, der war aber leider nicht im Einsatz. 

Tief im Westen der Insel liegt Corbiére mit seinem Leuchtturm im offenen Atlantik (Bild morgen). Erreichbar ist dieser mit der Linie 22, auf der gerade OmniCity 2911 die westlichste Kurve der Insel passiert.