Mittwoch, 3. August 2022

Jersey - britisch, auf französische Art

Nur 25 Kilometer vor der französischen Küste liegt Jersey. Historisch Teil der Normandie, blieb sie mit den benachbarten Inseln nach Eroberung dieser durch Frankreich 1204 im Besitz der englischen Krone - und das bis heute. Die Kanalinseln sind kein Teil des Vereinigten Königreiches, sondern als Crown Dependencies weitgehend autonome Staaten, die sogar ihre eigenen Banknonten (wenn auch wertgleich mit dem Pfund Sterling) herausgeben. Über Jahrhunderte war das Leben weitgehend am nahen Frankreich orientiert, man sprach bis Mitte des 20. Jahrhunderts vorwiegend einen normannisch-französischen Dialekt, das Jèrriais. Erst nach der Deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg, als die Inseln Teil von Hitlers Atlantikwall waren und die immer noch sicht- und spürbare Folgen hinterlassen hat, wurde britischer Einfluss dominant. Noch heute sind die meisten Straßenschilder und Ortsbezeichnungen französisch, gesprochen wird aber Englisch.

Jersey ist nur rund 15 x 9 km groß, hat aber immerhin etwas über 100.000 Einwohner. Wichtigste Wirtschaftsfaktoren sind das Offshore-Finanzwesen und der Tourismus, weshalb die Insel eine der wohlhabendsten Regionen Europas ist. Jersey ist in 12 Parrishes aufgeteilt, die den alten Kirchgemeinden entsprechen. Rund ein Drittel der Bevölkerung lebt in der Hauptstadt Saint Helier.   

Eisenbahnen gab es auf Jersey von 1870 bis 1936 und dann nochmals unter deutscher Besatzung, die ersten Busse verschlug es aber auch schon 1909 auf die Insel. Als dominantes Unternehmen entwickelte sich die 1923 gegründete Jersey Motor Transport Company (JMT), daneben gab es aber auch mehrere kleinere Betriebe. Um die Jahrtausendwende konnte JMT das bislang kommerziell betriebene Busnetz nicht mehr aufrecht erhalten. Da eine Einigung auf ein Zuschussmodell mit den States (der Regierung) nicht gelang, schrieben diese das Netz aus und Connex (heute Transdev) übernahm 2002 für zunächst zehn Jahre den Betrieb. 

Da ein Bruttovertrag vergeben worden war, hatte Connex keinen Anreiz, für mehr Fahrgäste zu sorgen, und so wurde der Busverkehr ein teures Zuschussgeschäft für die States. Für die Folgeausschreibung setzte man daher ein mehrstufiges Verfahren um, in dem die Bieter vor allem eigene Ideen einbringen sollten und es nicht nur um den billigsten Preis ging. Gewinner war das gemeinnützige Londoner Verkehrsunternehmen HCT Group, das auch in London und anderen britischen Ballungsräumen aktiv ist, mit einem stärker marktorientierten Konzept. Und das überzeugte: Innerhalb von drei Jahren stiegen die Fahrgastzahlen um ein Drittel und der Zuschuss sank um 800.000£. Eine sehr gute Fallstudie findet sich auf der HCT-Seite.

Das Netz wird von der HCT-Tochter CTPlus Jersey unter dem Namen Libertybus vermarktet. Rund 80 Busse verkehren auf 19 Linien. Zentraler Netzknoten ist die Liberation Station in der Innenstadt von Saint-Helier. Die wichtigsten Linien 1 und 15 verkehren alle 15 Minuten, die anderen meist stündlich.  

Update: Offensichtlich war das gemeinnützige Konzept von HCT doch kein Erfolgsmodell. Im September 2022 verkaufte oder schloss die Gruppe alle ihre Busbetriebe und meldete Insolvenz an. Die Verkehre in Jersey und Guernsey übernahm die australische Kelsian-Gruppe mit ihrer britischen Tochter Tower Transit.

Doppeldecker kommen auf den Linien 14, 15 und 22 zum Einsatz. Die sechs ADL Enviro 400, die CT Plus kurz nach Betriebsübernahme 2013 beschaffte, sind meistens auf der Linie 15 zum Flughafen zu sehen. 2606 verlässt hier die Liberation Station in St Helier.

Einige Doppeldecker sind mit Ganzwerbung versehen, die schönste ist sicherlich auf 2604 für den Jersey Zoo. Aufgenommen vor der Parrish Hall in St Aubin.

2015 kamen von der Schwestergesellschaft CT Plus London fünf Scania OmniCity N230UD. 2908 hat gerade an der St Brelade´s Church gewendet und wartet vor üppiger Inselvegetation auf seine Rückfahrt in die Hauptstadt.

Nochmal 2908 auf der Saisonlinie 14, die an den (zumindest bei Ebbe) weiten Stränden von St Aubin´s Bay und St Brelade´s Bay vorbeiführt. Für diese Linie ist auch ein offener Dennis Trident/ALX 400 ex Lothian Buses vorhanden, der war aber leider nicht im Einsatz. 

Tief im Westen der Insel liegt Corbiére mit seinem Leuchtturm im offenen Atlantik (Bild morgen). Erreichbar ist dieser mit der Linie 22, auf der gerade OmniCity 2911 die westlichste Kurve der Insel passiert. 

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